||
 
 
Beitrags Sprache: Deutsch
Beitrags Sprache: Deutsch
Unter-Überschrift: Was kann Legal Tech auf dem Gebiet des Urheberrechts leisten?
Lesezeit 10 Min.
Beitrags Kategorie: Urheberrecht
Beitrags Art: Wissenschaftlicher Artikel
Farbe: Blau

Eine Google-Suche nach „Urheberrecht Legal Tech“ wirft bisher keine überragenden Ergebnisse aus. Insbesondere aber mit Blick auf die zunehmend im Internet stattfindenden urheberrechtlichen Sachverhalte liegt die Frage nahe, ob nicht auch auf dem Gebiet des Urheberrechts Legal Tech sinnvoll eingesetzt werden könnte. Oder vielleicht schon längst eingesetzt wird?

Dieser Artikel beleuchtet bewusst nicht die Ängste und Sorgen einiger Berufsträger, dass Legal Tech – insbesondere, wenn an Konsumenten gerichtet - Anwälte arbeitslos machen könnte, sondern konzentriert sich wertungsfrei auf die durch den Einsatz von Technologie bestehenden Möglichkeiten.


 

 

 


Ist „Legal Tech“ wirklich ein neuer Begriff?

Der Begriff „Legal Tech“ kursiert in den rechtswissenschaftlichen Medien aktuell verstärkt, die Autorin hat – trotz informationstechnischer Vorbildung – zum ersten Mal bewusst 2016 wahrgenommen, dass Legal Tech diskutiert wird. Ein kurzer Blick in die Google Trends zeigt aber, dass schon 2004 (weiter geht die Suchanalyse nicht zurück) weltweit nach „Legal Tech“ gesucht wurde.[1] Bis ca. Anfang 2015 nahmen die Suchanfragen ab, und seit Ende 2015 wird verstärkt nach dem Begriff gesucht. (Bemerkung am Rande: Bei einer Beschränkung der Trend-Analyse auf den deutschen Google-Markt zeigt sich, dass 2004 noch „Rechtsinformatik“ der absolute Renner war – wenn auch mit abnehmender Tendenz. Im April 2016 wird jedoch Rechtsinformatik als Suchwort von „Legal Tech“ überholt.[2]

Traut man Google, ist der Begriff also gar nicht so neu, wie er auf den ersten Blick scheint. Aber was war denn bisher „Legal Tech“? Ein Versuch der Definition: Technologie (vorwiegend Software), die zur Lösung rechtlicher oder rechtsverwandter Aufgabenstellungen eingesetzt wird.[3]


Legal Tech im Urheberrecht – was bisher geschah

Thematischer Kern von Legal Tech sind also juristische Aufgabenstellungen oder Arbeitsprozesse. Um eine Bestandsaufnahme auf dem Bereich des Urheberrechts durchführen zu können, hilft es, zunächst erstmal typisch urheberrechtliche Arbeitsprozesse zu identifizieren. Da Legal Tech grundsätzlich nicht auf die Unterstützung von Anwälten beschränkt ist, sondern auch Endnutzern zugänglich sein kann (vgl. etwa Flightright.de), ist bei der Analyse nach Zielgruppen zu unterscheiden. Denkbare Zielgruppen im Urheberrecht sind etwa:

  • Anwälte / Rechtsabteilungen
  • Urheber
  • Konsumenten

Im Folgenden werden einzelne Beispiele existierender Legal Tech-Lösungen aus den Zielgruppen herausgegriffen.


Anwälte / Rechtsabteilungen

IT-affine Urheberrechtsanwälte begegnen oft lizenzrechtlichen Fragestellungen mit Bezug zu Open Source Software. Hier gilt es, Lizenzbedingungen zu erkennen, ggf. Quellcodes zu analysieren und Inkompatibilitäten zwischen Lizenzen zu entdecken oder die vermutete Nichteinhaltung von Lizenzbedingungen zu überprüfen. Zur Unterstützung wird seit vielen Jahren bereits Software wie etwa BlackDuck oder FOSSology eingesetzt. Typische Aufgabenstellungen sind darüber hinaus insbesondere auf dem Bereich der Lizenzvertragsgestaltung und Rechtsdurchsetzung zu finden.


Urheber

Kopierschutzmaßnahmen sind bereits seit langer Zeit im Einsatz. Sie werden sowohl im Bild- als auch im Musik- und Filmbusiness von Rechteinhabern verwendet, um Vervielfältigungen zu unterbinden oder zu erschweren. Sie dienen im weitesten Sinne dem Schutz der Rechte der Urheber und könnten daher auch als „Legal Tech“ verstanden werden. Insbesondere seit dem Vormarsch von Spotify, Amazon Music und Online-Videotheken wird auch die Digital Rights Management (DRM)-Technologie immer weiter entwickelt. Sie ermöglicht es, den Zugang zu einem Werk zeitlich zu beschränken oder die Anzahl möglicher Vervielfältigungen zu begrenzen. Ebenfalls seit einiger Zeit verfügbar sind Tools, die Künstler bei der Wahl von Creative Commons-Lizenzen beraten: https://creativecommons.org/choose/?lang=de


Konsumenten

Bisher waren Konsumenten – insbesondere bzgl. Kopierschutz und DRM – überwiegend der Grund, weshalb vor allem Künstler technische Maßnahmen zum Schutz ihrer Werke vor Urheberrechtsverletzungen ergriffen haben. Datenbanken wie etwa online.gema.de/werke helfen aber auch Konsumenten, Urheber zu identifizieren um Rechte erwerben und sich rechtmäßig verhalten zu können.


Legal Tech im Urheberrecht – was geht noch?

Wenn jetzt Legal Tech darüber hinaus auch noch andere Arbeitsprozesse unterstützen möchte, dann liegt es nahe, diese Entwicklung – unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Legal Tech bereits seit langem in den urheberrechtlichen Alltag eingebunden ist – nicht dem aktuellen „Hype“ Legal Tech zuzuschreiben, sondern vielmehr dem technischen Fortschritt und möglicherweise auch einem Generationenwechsel. Juristen, die heute in den Beruf einsteigen, sind mit IT bereits in ihrer Kindheit in Kontakt gekommen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich unter ihnen auch einige Absolventen befinden, die sich – über den Teller der Rechtswissenschaft hinausblickend – auch verstärkt mit IT, Softwareentwicklung und den technischen Möglichkeiten auseinandergesetzt haben und nun danach streben, durch die Verbindung der Disziplinen Effizienzsteigerungen zu erreichen.

In allen drei Zielgruppen sind über die bisherigen Lösungen hinaus weitere Einsatzgebiete von Legal Tech denkbar:


Anwälte / Rechtsabteilungen

Neben nicht rechtsgebietsspezifischen Einsatzgebieten wie Mandatsverwaltung, Erstellung von Abmahnschreiben oder allgemeinen Vertragsgestaltungstools könnten neuronale Netze bei der Identifikation von Urheberrechtsverletzungen behilflich sein. Im Falle von Kopien oder abgeleiteten Werken könnten diese Netze durch Feinjustierung ihrer Parameter darauf trainiert werden, hinreichende Ähnlichkeiten zu erkennen und ab Erreichen eines Schwellenwertes Hinweise auf eine Rechtsverletzung geben – wie bereits in einfacherer Variante für Texte in Form sogenannter „Plagiatssoftware“ seit vielen Jahren im Einsatz. Vorteil: Die Erkennung von Urheberrechtsverletzungen könnte objektiviert werden. Nachteil: Die Erkennung von Urheberrechtsverletzungen könnte objektiviert werden. Gerade auf dem Gebiet der Kunst spielt die subjektive Wahrnehmung eben doch eine große Rolle.

DEVIDENCE (www.beweis.io) unterstützt unter dem Stichwort „Digitalforensik“ als Legal Tech-Unternehmen bereits Rechtsanwälte bei der Beweissicherung im Internet, wenn es etwa darum geht, Urheberrechtsverstöße zu dokumentieren. Dabei wird zwar Forensiksoftware eingesetzt, Verkaufsobjekt ist jedoch nicht ein Legal-Tech-Produkt, sondern viel mehr eine Legal-Tech-Dienstleistung.


Urheber

Auch im Urheberrecht wird vermehrt über den Einsatz von Blockchains diskutiert: Selbst, wenn der illegale Konsum zum Beispiel von Film und Musik durch kostenpflichtige, aber erschwingliche Online-Streaming-Dienste stark zurückgegangen ist, kommt am Ende doch nur sehr wenig Vergütung bei den Künstlern an.[4]

Ujo Music (ujomusic.com) versucht, auf der Basis der Ethereum Blockchain faire Künstlervergütung zu ermöglichen. Verwertungsgesellschaften wären dann nicht mehr notwendig. Die Künstlerin Imogen Heap schloss sich 2015 mit Ujo Music zusammen, und veröffentlichte als erste Künstlerin einen Song („Tiny Human“) auf (damals noch der Alpha-Version) der Plattform.[5] Dort sind zum einen detaillierte Informationen über die Titel verfügbar, zum anderen ist transparent, wer wieviel Prozent der Einnahmen erhalten soll. Der Erwerb bzw. Download von Musiktiteln erfordert eine Bezahlung in der Kryptowährung ETH, und wird über Smart Contracts abgewickelt. Die Smart Contracts sorgen schließlich dafür, dass die erhaltenen ETH gemäß den voreingestellten Vergütungsanteilen an alle beteiligten Künstler verteilt werden. Allerdings ist der tatsächliche Nutzen dieser Plattform stark davon abhängig, ob die allgemeine Öffentlichkeit Kryptowährungen in Zukunft als gängiges Zahlungsmittel akzeptiert. Bisher setzt Ujo Music voraus, dass sich die Nutzer (sowohl Künstler als auch Konsumenten) mit Kryptowährungen auseinandersetzen und mit ihrem Einsatz umgehen können. Ein Versuch des Online-Portals Medium von 2016 zeigte, dass zumindest damals noch große technische Hürden für nicht Ethereum-Affine Nutzer bestanden, die zumindest den Versuch, diesen besagten Imogen Heap-Titel zu downloaden, scheitern ließen.[6] Ein Eigenversuch der Autorin zeigt, dass heute – drei Jahre später – der Erwerb von Titeln über die Plattform bereits deutlich einfacher geworden ist, wenn der Benutzer bereits Ether oder andere Kryptowährungen besitzt. Ob dieses Modell Zukunft haben könnte, muss sich also noch zeigen.

Für digitale Bildkunst hat es sich R.A.R.E.[7] zur Aufgabe gemacht, die Authentizität autorisierter Exemplare digitaler Werke mittels Blockchain-Einsatzes und sogenannten Art Tokens nachweisen zu können. Und KODAKOne will mit KODAKCoin eine Blockchain-Plattform für die Vergütung von Fotografen (und geplant auch Video Rights Management) bieten, geplanter Launch ist allerdings erst im Juni 2019.[8]

Neben den Blockchain-Anwendungsbeispielen können Künstler Onlineangebote zur Vertragsgestaltung in Anspruch nehmen, genannt seien hier exemplarisch die Angebote von SmartLaw für Model Release-[9] und Lizenzverträge[10] für Bild und Film.

In einer Idealwelt (aus Künstlerperspektive) würde für jedes digitale Werk ein Smart Contract auf einer Blockchain existieren, und der Aufruf etwa eines YouTube-Videos würde automatisch Zahlungen (von YouTube?) an alle beteiligten Künstler (Video und Audio) auslösen.


Konsumenten

Anstatt wie bisher nur Adressat von Abmahnungen zu sein, können Konsumenten auf Online-Tools zurückgreifen um auf diese Schreiben zu reagieren.[11] Der Einsatz von Blockchains zur automatisierten Künstlervergütung erleichtert den Konsum von Werken und auch die Verwendung von zum Beispiel Musik in eigenen Kunstprojekten oder öffentlichen Veranstaltungen. Automatische Subsumtion könnte Konsumenten eine Ersteinschätzung darüber liefern, ob ihre geplante Nutzungshandlungen urheberrechtlich relevant bzw. von ihrer Lizenz abgedeckt sind.


Fazit

Der technische Fortschritt, der dem Thema Legal Tech neuen Wind in die Segel geweht hat, kann auch im Urheberrecht von Nutzen sein. Dafür ist allerdings erforderlich, dass – zumindest für einen Moment – Juristen ihre Ängste hinter sich lassen und sich fragen, was Legal Tech für sie Positives tun kann. Ein darüber hinaus gehender Dialog mit Urhebern und Konsumenten könnte Lösungen schaffen, die für alle Beteiligten eine Win-Win-Win-Situation bedeuten. Und schließlich kann Legal Tech doch, wenn es den Juristen einfache, zeitraubende Routinetätigkeiten abnimmt, gerade auf dem Bereich des Urheberrechts wieder mehr Raum für kreative juristische Arbeit schaffen. 

 

 


[1] https://trends.google.com/trends/explore?date=all&q=legal%20tech ,Rechtsinformatik

[2] https://trends.google.com/trends/explore?date=all&geo=DE&q=legal%20tech ,Rechtsinformatik

[3] so ähnlich auch Fries, NJW 2016, 2860, 2862, Fn. 32; Schemel/Dietzen in Breidenbach/Glatz Rechtshandbuch Legal Tech, 2018, 142 Rn. 26 definieren Legal Tech als „Software und Online-Dienste, die juristische Arbeitsprozesse unterstützen oder gänzlich automatisiert durchführen und das Ziel verfolgen, effizientere Alternativen zu einzelnen Arbeitsschritten oder ganzen Rechtsdienstleistungen zu schaffen“

[4] vgl. Glatz, Blockchain, S. 74 Rn. 56 in: Rechtshandbuch Legal Tech, sowie https://hbr.org/2017/06/blockchain-could-help-musicians-make-money-again  

[5] https://imogen2.surge.sh/#/imogen_heap/tiny_human/tiny_human

[6] nachzulesen hier: https://medium.com/hatching-amazing/part-1-how-my-ssn-prevented-me-from-buying-music-on-the-blockchain-and-why-blockchain-for-music-a85eaeaca7ad  

[7] https://www.rareart.io/  

[8] https://www.kodakone.com/roadmap.html  

[9] https://www.smartlaw.de/rechtsdokumente/freie-mitarbeiter-dienstleister/model-release-vertrag  

[10] https://www.smartlaw.de/rechtsdokumente/unternehmen-fuehren/lizenzvertrag-bild-und-film  

[11] Bsp: https://www.smartlaw.de/rechtsdokumente/internet-telekommunikation/abmahnung-erhalten-was-tun  

 

Diese Website benutzt Cookies. Wenn Sie die Website weiter nutzen, stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Ok